blog-bg-1

Warum sind Start-ups weniger divers als Konzerne?

Mar 14, 2024
blog-bg-2
Table of contents
  • Wenn in der Wachstumsphase nicht auf Diversität geachtet wird, wird es später viel schwieriger, diese Versäumnisse aufzuholen
  • „Traust du dir das zu?“

In unserer Themenreihe „Gespräche zum Thema Vielfalt“ sprechen unsere beiden Kolleginnen Christin und Nina mit der Diversity-Beraterin Annika von Redwitz über verschiedene Fragen zum Thema Vielfalt. Die Gespräche sind anhand von groben Themenblöcken geführt worden und primär eine Wiedergabe von persönlichen Erfahrungen und Meinungen.

Wir unterteilen das Gespräch in fünf Themenblöcke und veröffentlichen in den nächsten Wochen einen nach dem nächsten. Wir hoffen, Euch gefällt das Format!

Nina: Man sollte meinen, dass es in Start-up und Tech-Unternehmen bezogen auf das Thema Diversität besser aussieht als in großen Konzernen. Die Unternehmenssprache ist häufig Englisch, die Unternehmen arbeiten sehr innovativ und agil und sind dadurch vermeintlich weltoffener als andere. Trotzdem ist es häufig so, dass, besonders wenn man sich die Gründerteams selbst anschaut, die Teams häufig sehr wenig divers, sehr männlich, sehr weiß und auch, was das Alter angeht, sehr homogen sind.

Wenn in der Wachstumsphase nicht auf Diversität geachtet wird, wird es später viel schwieriger, diese Versäumnisse aufzuholen

Annika: Genau, das ist sehr spannend zu sehen. Vor Kurzem wurde hierzu der Allbright-Bericht(https://www.allbright-stiftung.de/berichte) veröffentlicht, der sich hiermit dem Thema befasst. Hier wurden Start-ups DAX-Konzernen gegenübergestellt und die Repräsentanz von Frauen in ihrem C-Level verglichen. Hierbei wurde festgestellt, dass die jungen Unternehmen sogar noch schlechter aufgestellt sind als die Konzerne. Während in den Konzernen 10,2% Frauen in C-Level-Positionen vertreten sind, sind es lediglich 5,4% bei den Start-ups. Das ist schon heftig. Als Grund wird hier häufig das schnelle Wachstum genannt, sodass viel aus dem eigenen Netzwerk rekrutiert wird und daher keine Zeit bleibt, um auf Dinge wie Diversität zu achten. Das ist naheliegend, allerdings sehe ich das Problem, dass wenn in der Wachstumsphase nicht auf Diversität geachtet wird, es später viel schwieriger wird, diese Versäumnisse aufzuholen. Daher ist meine Empfehlung immer, an das Thema Diversität frühzeitig strategisch heranzutreten, auch wenn das Einstellen zunächst vielleicht ein bisschen länger dauert. Somit wird man es später viel einfacher haben, eine breitere Zielgruppe anzusprechen – sowohl was Kunden als auch was Mitarbeitende angeht. Es werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Christi:  Ich glaube, das Thema fängt schon viel früher an. Viele Start-ups gründen sich direkt aus der Uni heraus und wenn die Diversität an der Uni bereits nicht gegeben ist, macht es das natürlich noch schwerer. Ich sage das jetzt aus meinem Blickwinkel, da ich an einer Technischen Universität studiert habe und eine von sehr wenigen Frauen im Studiengang war. Vielleicht ist es häufig so, dass das Problem bereits dort beginnt, wo sich spätere Gründerteams begegnen. Man lernt sich in der Uni kennen und gründet mit seinen Kommiliton:innen ein Unternehmen. Und so verlagert sich das Problem.

Annika: Definitiv. Daran sieht man auch, dass unser Bildungssystem es nicht schafft, die Mädchen, die sich für technische Fächer interessieren, auch in die technischen Studiengänge zu bekommen. Und es geht hierbei natürlich nicht nur um die Repräsentanz von Frauen. Ein weiterer Teil des Allbright Berichts sagt zudem, dass die C-Levels der Start-ups noch deutscher sind, noch häufiger ihre Ausbildung in Westdeutschland, noch seltener ihre Ausbildung im Ausland absolviert haben und noch häufiger Wirtschaftswissenschaftler sind. Vor ein paar Jahren kam das Thema auf, dass es mehr Männer mit dem Vornamen Thomas in den Vorständen der deutschen börsennotierten Unternehmen gab als Frauen. Bei den Start-ups führt sich dieses Bild fort. Hier gibt es mehr Christians und Stefans als Frauen insgesamt. Sie sind zwar ein bisschen jünger, aber sie wiederholen dieselben Fehler wie die älteren Unternehmen.

Nina: Eine Sache, die ich in der Start-up-Szene hier in Berlin zudem sehr auffällig finde, ist, wie viele Gründer:innen von Privat-Universitäten kommen. Es gibt natürlich auch an Privat-Universitäten Ausnahmen und Stipendien, aber es kann sich natürlich nicht jeder ein Studium an einer privaten Universität leisten, sondern man wird eher wohlhabendere Menschen hier finden. Wenn hier wiederum primär aus dem privaten Netzwerk eingestellt wird, kann man schnell zu einem Team kommen, in dem primär Menschen aus wohlhabenderen Familien arbeiten.

People & Culture von morgen ist endlich da

Entwickelt und visualisiert eine Skill-basierte Organisation mit einer kollaborativen Kultur

„Traust du dir das zu?“

Annika: Was ich diesbezüglich empfehlen kann, ist das Netzwerk Chancen. Das ist ein gemeinnütziger Verein, der Jugendliche und junge Berufstätige darin unterstützt, ein Netzwerk aufzubauen und Mentor:innen zu finden, die sie in ihrem Berufseinstieg unterstützen. Diese Netzwerke können sehr hilfreich sein, wenn man aus einer bildungsferneren Familie kommt, denn selbst wenn man es geschafft hat, zu studieren, fehlt einem häufig ein Netzwerk. Wenn sich mehr Start-ups hier engagieren würden und diese jungen Menschen unterstützen, wäre schon viel getan. Und vielleicht stellt man den ein oder anderen auch selbst ein. Man muss einfach ein bisschen Zeit investieren, um nicht Gefahr zu laufen, ein zu homogenes Team aufzustellen. Zum Glück gibt es schon aus verschiedensten Richtungen ein Umdenken. Die Investor:innen möchten nicht mehr so homogene Teams finanzieren – und die Kund:innen achten auch mehr darauf.

Nina: Investor:innen sind auch ein spannendes Thema, da sie häufig auch sehr wenig divers aufgestellt sind. Das führt dann wiederum zu der Frage, welche Start-ups überhaupt finanziert werden. Ich glaube, viele Investor:innen wollen daran arbeiten, aber sind derzeit noch weit davon entfernt.

Annika: Das stimmt. Man hört hierzu auch immer noch Dinge, wie dass Männer, die Start-ups gründen, eher nach Chancen und Möglichkeiten gefragt werden. Frauen hingegen, werden eher nach den Risiken gefragt und schnell in die Schublade „Traust du dir das zu?“ gesteckt. Oder es fehlt am Verständnis des Produktes, weil es sich vielleicht um ein Produkt für eine andere Zielgruppe handelt.

Christin: Auch das Thema Schwangerschaft taucht als Thema bei Investor:innen auf. Zum Beispiel, indem es Vorbehalte gibt, in ein Start-up mit einer weiblichen Co-Founderin zu investieren, weil man nicht weiß, ob sie nächstes Jahr schwanger werden könnte. Ich habe es mehrfach schon erlebt, dass Gründerinnen empfohlen wurde, sie sollen sich einen männlichen Co-Founder ins Team holen, um für diesen Fall vorzusorgen.

Annika: Ich bin jetzt Mitte 50, bei mir war das gang und gäbe. Damals haben alle gestaunt, dass ich nicht so lange ausgesetzt habe als ich meine Tochter bekommen habe in den Neunzigern. Heute ist das zum Glück schon viel normaler, aber trotzdem gibt es das Thema noch. Und das, obwohl inzwischen auch sehr viele Männer Elternzeit nehmen. Wenn Männer noch mehr Elternzeit nehmen würden, am besten in gleichem Maße, dann wäre es irgendwann auch kein Problem mehr. Leider gibt es hier häufig noch Vorbehalte von Arbeitgeberseite, sodass manche Männer einen ganz schönen Kampf führen müssen, um Elternzeit zu nehmen, die länger als zwei Monate dauert. Wenn ein junger Mann ein Startup gründet, dann wird die Frage gar nicht gestellt, ob er derzeit plant, eine Familie zu gründen oder nicht. Und erst wenn es so weit ist, dann sieht man weiter. So muss das bei Frauen auch sein.

Hier geht's zur nächsten Folge der Reihe mit Annika von Redwitz:
Recruiting nach Diversity-Index?

Annika von Redwitz ist zertifizierte Beraterin für Diversity Management und Coach. Sie ist in Schweden geboren und aufgewachsen, seit 1990 lebt und arbeitet sie in Baden-Württemberg. Von 1990 bis 2015 hat sie bei SAP SE internationale Teams geleitet und dabei gelernt: Erfolg hat, wer ein Augenmerk auf Vielfalt legt! Dabei geht es ihr darum, die Stärken jedes Einzelnen zu erkennen und ihnen Raum zu geben. Wenn ein Arbeitsklima der Akzeptanz und des gegenseitigen Vertrauens geschaffen wird, steigt die Produktivität, die Mitarbeitenden sind zufriedener und der Innovationsgeist wird gestärkt. Diese Erfahrung gibt Annika heute mit Begeisterung und schwedischem Akzent an ihre Kunden weiter. Sie unterstützt sie, das passende Diversity Management und eine wertschätzende Kultur zu implementieren. Bei Vorträgen, Workshops, Trainings oder Coachings stellt sie die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens in den Fokus.

Verpasse keinen unserer exklusiven Inhalte
Jetzt abonnieren

Durch Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen habe und mit der Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten durch agyleOS zu den genannten Zwecken einverstanden bin. Im Falle einer Einwilligung kann ich meine Zustimmung hierzu jederzeit widerrufen. Darüber hinaus stimme ich durch Absenden des Formulars den allgemeinen Geschäftsbedingungen zu.

agyleOS logo
Social Media
Deutsch
Deutsch
© 2024 agyleOS GmbH. Die erwähnten Produktnamen sind eingetragene Warenzeichen der jeweiligen Unternehmen.