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Das Erlebnis der Mitarbeitenden muss sich verbessern

Mar 14, 2024
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Table of contents

    Mein Interviewpartner Leon hat viele Jahre als Managementberater mit Unternehmen vom Startup bis zum Großkonzern an den dortigen HR-Systemen gearbeitet. Seit Juni 2021 gestaltet er als Head of Talent & Leadership Development bei der Zur Rose Gruppe die dortigen Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende. In seiner Arbeit verfolgt Leon einen produkt- und erlebnisorientierten Ansatz, der darauf abzielt, Mitarbeitenden eine positive Employee Experience zu bieten. Dabei nutzt er Methoden aus dem Design Thinking und der Angewandten Improvisation.

    Nina: Eines deiner Fachgebiete ist das sogenannte Employee Experience Design. Könntest du uns diesen Ansatz genauer erklären?

    Leon: Beim Employee Experience Design – kurz: EX Design – geht es darum, auf die Personalarbeit aus der Perspektive der Mitarbeitenden zu schauen. Was das heißt, versteht man denke ich am besten mit einem Beispiel. Statt zu fragen: «Wie sieht ein effizienter Performance Management Prozess aus?» fragen wir bei EX Design «Wie machen wir das Performance Management zu einem Erlebnis, das es unseren Mitarbeitenden ermöglicht, bestmöglich zum Erfolg der Organisation beizutragen?». Methodisch ist es im Grunde der Transfer von Ansätzen aus dem Design Thinking, dem Service Design und der Applied Improvisation auf die Personalarbeit mit den Mitarbeitenden als die Zielgruppe, deren Erlebnis es zu gestalten gilt.

    Was unterscheidet das EX Design von herkömmlichen Herangehensweisen im Design von People Management-Projekten?

    HR ist einfach in den meisten Organisationen ein Cost Center, d. h. es geht darum möglichst effizient und kostengünstig die für das Personalmanagement nötigen Prozesse abzuwickeln. Wenn wir mit EX Design arbeiten, fragen wir uns, wie wir mit Personalarbeit einen möglichst großen Mehrwert schaffen können. Denn eine positive Employee Experience zeigt sich am Ende auch im Unternehmenserfolg.

    Du hast einmal gesagt, „was es braucht, sind günstige Experimente“. Es müsse damit gestartet werden, z. B. im Rahmen eines Design Thinking-Workshops, Ideen zu entwickeln und diese zu testen. Welche Stakeholder sollten in diesen Prozess eingebunden sein?

    Wir sind häufig auf der Suche nach guten Ideen. Und es ist nichts falsch daran, Ideen zu entwickeln, aber was ich gemerkt habe ist, dass es bei Ideen mehr auf die Quantität als auf die Qualität ankommt. Ob eine Idee gut ist, zeigt sich häufig erst, wenn man sie ausprobiert. Und das ist mit dem Satz gemeint. Wenn wir es schaffen, mit Mut einfach viele Ideen auszuprobieren, dann lernen wir in der Regel mehr und kommen schneller zu einer guten Lösung, als wenn wir uns lange damit aufhalten nach der besten Idee zu suchen. Und wer ist dabei zu involvieren? Ganz klar, die Nutzer selbst, das heißt die Mitarbeitenden. In der Personalarbeit gibt es hier häufig Vorbehalte. Es sei nicht fair, etwas mit einer Gruppe auszuprobieren und mit anderen nicht, wir müssen die Leute gleichbehandeln – so lautet einer der typischen Vorbehalte. Ein anderer ist, dass neue HR-Ansätze ganz klar durchdacht sein müssen und ja nicht „scheitern“ dürfen. Ich halte nicht allzu viel davon. Wer sich traut Experimente zu machen – auch in der Personalarbeit – der lernt viel mehr und viel schneller und bietet am Ende des Tages auch für alle ein besseres Erlebnis.

    Wie funktioniert denn so ein Test in der Praxis? Hast du ein Beispiel für uns?

    Ein Handlungsfeld, das ich gerne empfehle, um anzufangen, ist das Thema Onboarding. In den meisten Organisationen fangen alle paar Wochen neue Kolleginnen und Kollegen an. Gleichzeitig ist es akzeptiert, bzw. führt nicht aus dem Blickwinkel der Fairness zu Problemen, wenn nicht jeder die exakt gleiche Onboarding-Experience hat. Das gibt uns die Möglichkeit, im Kleinen Experimente zu machen und neue Ideen einfach auszuprobieren. Susanne bekommt vielleicht ein neues Onboarding-Geschenk am ersten Tag, Ercan bekommt zwei Wochen vor seinem Start schonmal einen Zugang zum eLearning-System und Beatrix bekommt von ihren neuen Kolleginnen und Kollegen ein selbstgedrehtes Video zur Begrüßung im Team. Wer Ausschau hält nach solch Experimenten im kleinen Stil findet schnell Möglichkeiten, Ideen in der Praxis zu erproben.

    Welche Faktoren müssen deiner Meinung nach erfüllt sein, damit ein Employee Experience-Projekt erfolgreich sein kann?

    Drei Punkte sind aus meiner Sicht entscheidend: Erstens, eine intensive Einbindung der Zielgruppe, d. h. der Mitarbeitenden. Nur wer hier in den Dialog geht, kann etwas entwickeln, das einen echten Unterschied macht. Zweitens, ein offener Lösungsraum, d. h. die Erlaubnis wirklich frei zu denken und auch verrückte Ideen zuzulassen, die sich – häufiger als zunächst vermutet – umsetzen lassen. Und drittens, eine klare Verknüpfung zu einem, idealerweise sogar messbaren, Beitrag zur Strategie bzw. zu den Zielen der Organisation. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass mitarbeiterorientierte Personalarbeit ein Selbstzweck ist. Am Ende geht es darum, für die Mitarbeitenden und für das Unternehmen einen Mehrwert zu schaffen.

    Wie würdest du den Erfolg eines Employee Experience-Projektes messen?

    Das Erlebnis der Mitarbeitenden muss sich verbessern. Was besser in diesem Fall heißt, muss man sie selbst fragen, aber es könnte z. B. komfortabler sein, schneller oder auch einfach mehr Möglichkeiten bieten. Und gleichzeitig muss die Organisation etwas davon haben, also z. B. niedrigere Fluktuationsquoten, geringere Fehlzeiten oder ein höheres Engagement der Mitarbeitenden.

    Welchen Zeithorizont würdest du hierfür ansetzen?

    Das kommt sicher darauf an, an welchem Hebel man ansetzt. Im Onboarding lassen sich schon in wenigen Wochen messbare Fortschritte erzielen. In anderen Bereichen, z. B. im Performance Management wird es wohl etwas länger dauern. Ausschlaggebend ist die Frage, ab wann die Mitarbeitenden eine Veränderung erleben können. Diesen Zeitraum würde ich als Orientierung nehmen und dann nochmal ein paar Monate Puffer einplanen.

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    Wie können Unternehmen den Employee Experience-Ansatz nicht zu einem einmaligen Projekt werden lassen und ins Zentrum ihrer People-Arbeit stellen?

    Ich denke, es gibt viele Wege dafür, wie das gelingen kann. Der Employee Experience-Ansatz lässt sich z. B. in der HR-Strategie bzw. im Leitbild für die Personalarbeit verankern und dann eher von dort aus in die HR-Handlungsfelder ausrollen. Der Bottom-Up Ansatz wäre es, mit einem Projekt in einem Handlungsfeld anzufangen und dann – sobald sich hier ein Erfolg einstellt – zu überlegen, welche anderen Handlungsfelder sich dazu eignen. Essenziell ist in jedem Fall, dass die Mitarbeitenden in der HR-Abteilung selbst die Kompetenzen entwickeln, die sie für die Gestaltung mitarbeiterorientierter HR-Arbeit benötigen, also z. B. Methodenkompetenzen im Service Design, und dass wir Umdenken von einem Fokus auf Kosten und Prozesse zu einem Fokus auf Mehrwert und Erlebnisse.

    Ein weiteres deiner Fachgebiete ist das Design und die Implementierung von Talent Management Frameworks. Welche Erfolgsfaktoren siehst du bei der Entwicklung von Talent Management Frameworks und was muss unbedingt beachtet werden?

    Puh, das ist eine sehr große Frage, auf die ich jetzt vieles antworten könnte. Ich versuche mal beide Themen zusammenzubringen. Wichtig ist, dass Talent Management bei den Bedürfnissen der Mitarbeitenden ansetzt. Es muss uns darum gehen, zu verstehen was Mitarbeitende motiviert und antreibt, was sie unter Karriere verstehen und wie sie sich weiterentwickeln möchten. Wenn wir es schaffen, das herauszuarbeiten und das hierfür passende Umfeld zu bieten, dann kann ein Talent Management wahre Kraft entwickeln. Fakt ist, dass die wenigsten von uns danach streben, immer mehr Macht, Einfluss und Status zu gewinnen – aber gerade darauf sind viele klassische Talent Management Frameworks ausgerichtet: die klassische Führungskarriere. Viel verbreiteter sind z. B. die Motive in einem Themenfeld, immer mehr Expertise zu gewinnen, immer bessere Beziehungen zu Kunden aufzubauen, Produkte und Dienstleistungen zu gestalten, die ein gutes Erlebnis bieten, oder die eigenen Fähigkeiten auf immer wieder neue Herausforderungen anzuwenden. Hierfür bedarf es anderer Ansätze und Lösungen als den Aufbau einer „Talentfabrik“ mit Standardprozessen, wie man sie in den Best Practice Lehrbüchern findet.

    Mitarbeiter sind i. d. R. langfristig glücklich in einem Unternehmen, wenn ihre persönlichen Entwicklungsziele mit den Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens übereinstimmen. Was können Unternehmen tun, um die individuellen Entwicklungsziele von Mitarbeitern zu berücksichtigen anstelle von One-Size-Fits-All Lösungen?

    Vielleicht müssen Unternehmen ja gar nicht die Lösungen für die Menschen bereitstellen und dann auch für jedes Bedürfnis eine andere Lösung parat haben, sondern eher die Infrastruktur bieten, dass Mitarbeitende ihre eigenen Lösungen finden. Der Schlüssel für mich besteht hierbei in drei Bausteinen: Erstens, Transparenz über die Organisation, die Aufgaben, die Strategie. Zweitens, einen hohen Grad an Flexibilität wie Menschen arbeiten, z. B. in Teilzeit, vor Ort oder remote, allein oder in Teams, mit SCRUM, Kanban oder einem ganz anderen Ansatz und so weiter. Und drittens, Plattformen bieten, die es den Mitarbeitenden ermöglichen sich selbst zu organisieren.

    Danke für das Gespräch, Leon!

    Über Leon Jacob:

    Leon Jacob war die letzten neun Jahre als Managementberater tätig und hat mit Unternehmen vom Startup bis zum Großkonzern an den dortigen HR-Systemen gearbeitet. Seit Juni 2021 gestaltet er als Head of Talent & Leadership Development bei der Zur Rose Gruppe die dortigen Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende in allen Rollen. Bereits als Berater und auch in seiner jetzigen Rolle verfolgt Leon einen produkt- und erlebnisorientierten Ansatz, der darauf abzielt Mitarbeitenden eine positive Employee Experience zu bieten. Dabei nutzt er Methoden aus dem Design Thinking und der Angewandten Improvisation.

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